Wir holen die Männer ein

Anna Musitschuk, Vorjahressiegerin der ND-Schachgala, im Gespräch:

Sie will am 26. November ihren Erfolg vom Vorjahr wiederholen: Die 19-jährige ANNA MUSITSCHUK aus der westukrainischen Stadt Stryi setzt bei der bevorstehenden ND-Damenschachgala 2009 erneut voll auf Sieg. Mit der Großmeisterin der Frauen, die Sport an der Universität Lwow studiert und für Slowenien startet, spricht RENÉ GRALLA.

ND: Wie schätzen Sie Ihre Chancen beim diesjährigen ND-Schnellturnier ein?
MUSITSCHUK: Ich bin in der Lage, jede Art von Wettkampf gegen Frauen zu gewinnen.

Eine Ihrer Konkurrentinnen ist Elisabeth Pähtz, die vor Ihnen zweimal in Berlin ganz oben auf dem Treppchen stand. Kann Ihnen Deutschlands beste Schachfrau den Einzug ins Finale verbauen?
Ich kenne Elisabeth Pähtz seit langer Zeit. Elli ist eine starke Spielerin, sie war meine Gegnerin bei vielen gut besetzten Damenturnieren.

Momentan sind Sie die Nummer Zwei der Weltrangliste für Juniorinnen und die Nummer Sechs der Damen. Das Ticket zur nächsten WM im Dezember 2010 in der Türkei haben Sie in der Tasche: Werden Sie dann nach der WM-Krone greifen?
Ich will immer als Erste durchs Ziel gehen. Aber dafür braucht man am Ende auch noch etwas Glück.

2004 sind Sie zur Großmeisterin der Frauen aufgestiegen. Drei Jahre später ist Ihnen die allgemeine, in der Regel freilich allein den Männern vorbehaltene Promotion zum Internationalen Meister, kurz: IM, gewährt worden. Sehen wir Sie womöglich bald auch als Großmeister der Kerle?
Erst muss ich noch eine so genannte dritte Norm erfüllen: bei einem hochkarätigen Wettbewerb eine Spitzenleistung zeigen. Ich hoffe, das schaffe ich bald.

Eigentlich sind Sie doch bereits WGM, sprich: Großmeisterin der Frauen. Reicht Ihnen das nicht? Wie wichtig ist Ihnen der von Männern dominierte GM-Titel?
Das zu schaffen ist eine Ehre für jede Frau.

Warum bloß? Uns scheint diese Unterscheidung altmodisch.
Momentan ist die Tatsache einfach unbestreitbar, dass Männer mehrheitlich besser Schach spielen. Das liegt an einer Reihe objektiver und subjektiver Faktoren, allerdings sind die nicht für alle Zeiten festgeschrieben. In den letzten Jahren haben immer mehr Frauen zu den Männern aufgeschlossen, ich denke vor allem an die Ungarin Judit Polgár, die Inderin Humpy Koneru und die Chinesin Hou Yifan. Und auch ich habe da schon einige Erfolge eingefahren.

Fühlen Sie sich denn nicht diskriminiert, wenn der Rang einer Frauengroßmeisterin weniger wert sein soll?
In vielen Sportarten schneiden Männer besser ab als Frauen. Das Hauptproblem ist, dass mehr Turniere für Frauen organisiert werden sollten – mit deutlich angehobenen Preisgeldern. Die bisherige Praxis, dass die Preisfonds der Frauen unter dem Niveau der Männer liegen, muss aufhören. Das ist die wirkliche Diskriminierung.

Obwohl Sie einen ukrainischen Pass besitzen, treten Sie bei Schacholympia seit 2004 für Slowenien an, zuletzt 2008 in Dresden. Gehören Sie auch bei den nächsten Weltspielen September 2010 im sibirischen Chanty-Mansijsk zur slowenischen Auswahl?
Ja. Ich habe die Föderation gewechselt nach Unstimmigkeiten mit dem ukrainischen Verband, aber ich möchte nicht über die Gründe sprechen. Mir liegt auch von Seiten der Ukraine keine Offerte zur Rückkehr vor.

In der laufenden Bundesligasaison 2009/2010 starten Sie für den SC Eppingen. Wie gefällt es Ihnen dort?
Die deutsche Mannschaftsmeisterschaft gehört nun einmal zu den stärksten Ligen der Welt. Und ich freue mich, dass ich vom SC Eppingen ein Angebot erhalten habe. Über sportliche Ziele haben wir im Klub noch nicht diskutiert, ich will meinem neuen Verein einfach helfen, möglichst weit vorne zu landen.

Quelle: Homepage der Tageszeitung Neues Deutschland

Interview mit der Eppinger Spielerin Anna Muzychuk