(beobachtet und zu Papier gebracht vom Eppinger Vereinsvorsitzenden Rudolf Eyer, der als Teamchef seine Mannschaft nach Trier begleitete)
Normalerweise schreibe ich die „Randnotizen“ nur bei Heimspielen unseres Teams in Eppingen. Nachdem aber unser etatmäßiger Mannschaftsführer Hans Dekan aus familiären Gründen an diesem Wochenende nicht dabei sein kann, betreuen der stellvertretende Schriftführer Timo Petri und ich das Team in den Begegnungen gegen die beiden Berliner Mannschaften König Tegel und SF Berlin.
Obwohl wir nicht mit unserer ersten Acht antreten können, gilt unser Team in beiden Begegnungen als Favorit. Halb Schachdeutschland fragt sich ja bereits: Was ist nur mit den Eppingern los? Vor diesem Hintergrund wären uns natürlich die vier Punkte sehr willkommen. Aber Vorsicht! Auch ELO-Prognosen können bisweilen täuschen…
Der SC Eppingen schreibt heute in Trier, ohnehin ein äußerst geschichtsträchtiges Terrain, ein neues Kapitel Vereinsgeschichte. Erstmals bieten die Fachwerkstädter in einem Bundesligakampf geballte Frauenpower auf: Anna Muzychuk (Brett 6) und Elisabeth Paehtz (Brett 7) sitzen nicht nur nebeneinander, sondern sorgen allein schon durch ihr Mitwirken für zwei optische Highlights im nüchternen Sitzungssaal der Kreisverwaltung.
Unsere Mannschaft ist bereits gestern Abend angereist. Timo betätigte sich im Hotel als Quartiermeister, nachdem die Rezeption bereits geschlossen hatte. Ich selbst konnte mich erst heute auf den Weg machen, war aber trotz eines längeren Staus und einer Vollsperrung der Autobahn rechtzeitig in Trier. Gemeinsam mit Lothar Vogt brach ich kurz nach 13 Uhr zum Turnierlokal auf. Mein Navigationsgerät würden wir für die knapp fünf Kilometer sicherlich nicht brauchen (außerdem hält es auch viel länger im Handschuhfach!), notfalls müssten wir uns eben durchfragen. Aber das war leichter gesagt als getan. Lothar tat sein Bestes, sprach unentwegt Passanten an und weiß jetzt immerhin eines ganz genau: Von 20 Einwohnern der Römerstadt kommen 19 aus dem Ausland oder haben noch nie etwas vom Willy-Brandt-Platz gehört. Erst ein Taxifahrer konnte uns auf den rechten Weg bringen..
Mittlerweile ist mir auch klar geworden, warum ich es im Schach – von einigen Erfolgen in der Jugend abgesehen – nie zu Meisterehren brachte. Es liegt an den Nerven: Während ich mich um 13 Uhr mit etwas Unbehagen (wegen des knappen Zeitfensters) auf den Weg zum Turnierlokal machte, wollten unsere Magyaren Zoltan Gyimesi, sein Schwager Zoltan Medvegy und Ferenc Berkes nicht vor 13.30 Uhr starten. Das gaben sie mir höflich, aber bestimmt zu verstehen. Und der Erfolg sollte ihnen Recht geben, genau eine Minute vor Spielbeginn betraten sie im Konvoi den Turniersaal. Dass ich bis dahin x-Mal vor dem Gebäude nach dem Trio Ausschau gehalten hatte, brauche ich nicht besonders hervorzuheben. Wie gesagt: Alles nur eine Frage der Nerven…
Heute (Sonntag) feiert Anna Muzychuk ihren 20. Geburtstag (in diesem Alter darf man die Jahreszahl noch nennen). Team und Betreuer gratulierten ihr bereits im Hotel während des gemeinsamen Frühstücks ganz herzlich. Gestern haben wir uns lange den Kopf zerbrochen, womit man dem Geburtstagskind eine kleine Freude bereiten könnte. Schließlich baten wir Elisabeth Paehtz „um geistigen Beistand“. Mit einigen guten Tipps versorgt, begab sich Timo gestern Nachmittag auf eine Shoppingtour in der Stadt und besorgte Schokolade, Pralinen (in diesem Alter darf man noch naschen) und ein Viertel Moselwein (in diesem Alter darf man ab und zu schon ein Gläschen Wein trinken)..
Der Trierer Mannschaftsführer Stefan Müllenbruck übernahm am Sonntag die offizielle Begrüßung. Das Geburtstagskind staunte nicht schlecht, als ihr auch der Veranstalter gratulierte und alle Anwesenden im Turniersaal applaudierten. Freilich war eine kleine „gezielte Indiskretion“ meinerseits an Stefan war vorausgegangen…
Der Schachsport ist schön, kann aber auch in Stress ausarten: Nicht weniger als zehn Tage am Stück war im Falko Bindrich im Vorfeld dieses Spieltages unterwegs. Zunächst spielte er zwei Turniere in Gibraltar und Frankreich mit, dann war er ganze 72 Stunden zuhause in Zittau und nach diesem Bundesligaevent fährt er nach Rommelshausen bei Stuttgart. Dort findet ein Vorbereitungslehrgang zur Deutschen Meisterschaft statt, die am Donnerstag beginnt. Dieses Mal wird er 16 Tage auf Reisen sein. Im Gegensatz zu Falko wird der Titelverteidiger Arik Braun trotz Semesterferien heuer auf einen Start verzichten.
Dieses Wochenende wird als die Kämpfe mit den „Blitzsiege“ in die Eppinger Annalen eingehen. Gestern fegte Falko Bindrich seinen Gegner Ulf von Herman mit den weißen Steinen in 19 Zügen und schon nach einer Stunde Spielzeit vom Brett. Da wollte Arik Braun heute nicht zurückstehen. Vorübergehend hat das Brett mit verteilten Chancen gebrannt. Kein Wunder, wenn zwei bedingungslose Angriffsspieler aufeinander treffen. Dem noch amtierenden Deutschen Meister gelang letztlich ein souveräner Erfolg gegen Ilja Schneider mit – Sie ahnen es schon – den weißen Steinen in 19 Zügen und nach nur einer Stunde Spielzeit…
Es geht heute in Tier verdammt stürmisch zu. Damit meine ich nicht die Geschehnisse auf den Brettern, sondern das Sturmtief Xynthia. Orkanartige Winde rütteln bedrohlich an den Fenstern und pfeifen mit lautem Getöse um das Turniergebäude. Überhaupt nichts für schwache Nerven!
Nach einem harten Kampf gegen die SF Berlin steht der zweite Sieg der Badener an diesem Wochenende fest. Allerdings wird die Freude der Eppinger dadurch etwas getrübt, dass in Trier zwischenzeitlich wegen des Sturms Katastrophenalarm ausgelöst wurde. Überall entwurzelte Bäume und gesperrte Straßen. Wir hoffen, dass die weite Heimfahrt dadurch nicht gravierend beeinträchtigt wird…
Rudolf Eyer

