Sensationeller Sieg in der Schlussrunde gegen Weltmeister Armenien
Man hatte sich im deutschen Männerteam eigentlich nur eine gute Platzierung erhofft bei der europäischen Mannschaftsmeisterschaft in Porto Carras (Griechenland , Chalkidiki). Es war ein außerordentlich gut besetztes Turnier im Open (38 Nationen) und bei dem ausschließlich Frauen vorbehaltenen Frauenturnier (in Open spielten auch einige Frauen mit), wo sich 28 Nationen eingeschrieben hatten. Im Open waren die Deutschen die Nummer 10 der Startrangliste, bei den Frauen waren sie entsprechend ihrer ELO -Zahlen an Nummer 7 gesetzt.
Im Open war Russland –wie immer – Favorit vor Olympiasieger Ukraine, Europameister Aserbaidschan, Weltmeister Armenien und den starken Teams aus Ungarn und Frankreich. Aber es kam ganz anders!
Die deutsche Mannschaft, bestehend aus den Großmeistern Arkadij Najditsch (OSG Baden-Baden) – Georg Meier (OSG Baden-Baden) – Daniel Fridman (SV Mülheim) – Jan Gustafsson (OSG Baden-Baden) – Rainer Buhmann (SV Hockenheim) spielte überraschend stark auf und setzte mit Siegen über Montenegro (3,0:1,0), Ungarn (2,5:1,5) und vor allem die Ukraine (3,5:0,5) sowie einem 2,0:2,0-Remis gegen Israel einige Ausrufezeichen. Die 1,0:3,0-Niederlage in Runde 5 gegen Bulgarien schien das Team in die Normalität zurückzuwerfen. Aber es folgte ein sensationeller Endspurt mit vier Siegen in Folge: 3,0:1,0 gegen Italien und dreimal 2,5:1,5 gegen Rumänien, Aserbeidschan und schließlich Armenien. Die Deutschen spielten sich in einen Rausch hinein, der Bundestrainer Uwe Bönsch (Dresden) nach dem Sieg gegen die Aseris den Ausruf entlockte: „nach dieser Leistung sollen mich alle einmal zwicken – ich kann es noch gar nicht glauben“. Es sollte noch besser kommen!
Die Mannschaft spielte sehr sicher und gleichzeitig mutig und kämpferisch. In den letzten drei Begegnungen gab es immer drei Remisen und stets einen Spieler, der den „Big Point“ setzte: gegen Rumänien war das Fridman, gegen Aserbaidschan Najditsch und gegen Armenien Meier. Das alles mit einer Mannschaft, in der nur einer (Najditsch) mit 2.712 ELO -Punkten die magische 2700-Grenze überschreitet, die die sehr guten Großmeister von den Weltklassegroßmeistern scheidet und damit gerade mal Platz 31 in der Weltrangliste einnimmt.
Die Deutschen gewann somit zum ersten Mal den Europameistertitel mit 15:3-Punkten (22,5 Brettpunkte) vor Aserbaidschan (14:4, 23,0) und den Ungarn (13:5, 23,0), die mit einem 4:0 gegen Bulgarien die Armenier (13:5, 22,5) noch vom „Treppchen“ stießen. Für die favorisierten Russen (13:5, 21,5) blieb nur der enttäuschende fünfte Platz. Noch schlimmer kam es für die Ukraine, den Olympiasieger von 2004 und 2010. In bester Besetzung (selbst Superstar Ivanchuk war dabei) kam gerade mal Platz 15 heraus (10:8, 19,0).
Das deutsche Team spielte sehr homogen. Alle Spieler erreichten ein positives Ergebnis: Najditsch 5,0 aus 8, Meier 5,5 aus 9, Fridman 4,5 aus 8, Gustafsson 4,5 aus 7, Buhmann 3,0 aus 4. Fast alle erreichten eine Performance von über ELO 2.700. Überragend hier mit 2.794 Arkadij Najditsch, der am Spitzenbrett die stärksten Gegner hatte und dabei gegen Teimour Radjabov – den Superstar der Aseris – einen sehenswerten Schwarzsieg errang, wenn man überhaupt einen Spieler aus dieser Mannschaft, die ein echtes Team war, herausheben soll.
Im Frauenturnier waren die Russinnen eine Klasse für sich. Sie gewannen überlegen mit 17:1- Punkten (25,5 Brettpunkte). Silber ging an Polen (14:4, 23,0), Bronze an Georgien (14:4, 22,5). Die deutschen Frauen spielten ein durchwachsenes Turnier und lagen mit Platz 8 (Erwartung Platz 7) etwa bei pari mit 10:8-Punkten (20,5 Brettpunkte). Die Punkte holten: IM/WGM Elisabeth Pähtz (3,5 aus 7), WGM Marta Michna (5,5 aus 9), der überragenden WIM Melanie Ohme (6,5 aus 8), WGM Elena Levushkina (3,0 aus 5) und WIM Sarah Hoolt (2,0 aus 7).
Der Titel der Männer ist der größte Erfolg des Deutschen Schachbundes seit der Silbermedaille bei Olympia 2000 in Istanbul und der erste große Titel in der Nachkriegszeit überhaupt und das mit einem Team, das mit einem Durchschnittsalter von 29 Jahren noch Perspektiven hat.

